17.11.2013, 00:51
(Die Screenshots befinden sich in den Spoiler-Tags. Zum Anschauen der Screenshots in 1920x1080 bitte die kleinen Bilder anklicken.)
Seit heute besitze ich die Collector's Edition des neuen "X"-Teils. Bislang mag ich das Spiel echt gerne, aber dennoch muss ich sagen, dass meine Begeisterung für den Titel bis jetzt schon ein paar gehörige Dämpfer erleiden musste. Ich will das Spiel nicht per se schlechtreden (das machen schon 90% aller anderen Leute, die das Spiel gespielt haben – vornehmlich auf dem Egosoft-Forum und den Steam-Foren), aber ich möchte zumindest etwas ins Detail gehen, was die Problematiken angeht.
Insofern: dies ist kein Negativ-Review, sondern einfach eine detaillierte Erläuterung der Veränderungen und der Mängel des Spiels. Wie gesagt: das Spiel packt mich trotzdem sehr, aber ich muss diese Dinge nun einfach loswerden – vielleicht auch deshalb, weil es vielen Leuten bestimmt in den Fingern kribbelt, das Spiel auch zu kaufen. Tut das, Leute! Unterstützt Egosoft! Die sind eh so eine winzige deutsche Spieleschmiede und kümmern sich kontinuierlich um ihre Produkte (im Falle von "X² Die Bedrohung" wurde vier Jahre lang regelmäßig verbessert, verfeinert, und neue Erweiterungs-Inhalte nachgeliefert). Dennoch: ihr habt das Recht, folgende Infos vor dem Kauf zu wissen.
Also los.
Grafik:
Haken wir den (meines Erachtens) unwichtigsten Punkt direkt vorab ab: grafisch ist das Spiel sehr weit hinter den heutigen Möglichkeiten. Die Grafik im All ist in Ordnung, wenn auch kein Augenöffner ("X³ Albion Prelude" sah beinah exakt so aus; "X Rebirth" ist ein kleines Bisschen hübscher) und dass die Jungs von Egosoft, was Charaktermodelle angeht, noch nie sonderlich überragende Ergebnisse geliefert haben, ist weithin bekannt. Dass die Figuren schrecklich hölzern animiert und hässlich gestaltet sein würden... naja, das war vermutlich von vornherein zu erwarten. Dass besagte Charaktere und die Gegenden, die man in Egoperspektive betreten kann (Stationen, Schiffe, Frachter, etc.), allerdings schlechter aussehen als in "Prey" (2006)... das ist jedoch einfach nur erschütternd. Im Ernst... die Figuren sehen sogar den Menschen im Intro von "Lands of Lore III" (1999!) verflucht ähnlich.
Aber gut... für ein "X"-Spiel stufe ich persönlich die Grafik von so etwas nicht als sonderlich relevant ein. Verschmerzbar, wenn das Spiel an sich Spaß macht. Und man muss den Egosoft-Jungs anrechnen, wie cool einige Gebiete (vom "Leveldesign" her) gestaltet sind. Also was soll's.
Steuerung:
Die Steuerung ist jedoch auch nicht ohne Makel. Allein die Tasten meines Joysticks (Thrustmaster T.Flight Hotas X) gescheit zu belegen, war ein absolut nerviger Prozess. Zuerst musste ich alle Tastenbelegungen für die Steuerung der Menüs auf ein und denselben Knopf legen (wodurch die jeweils vorherige Belegung gelöscht wurde – nur so konnte man eine Belegung löschen) – dann erst konnte ich die Flugsteuerung gescheit anpassen. Und trotz der Tatasche, dass mein Joystick (inkl. separatem Throttle-Stick) 16 Knöpfe und 5 Bewegungs-Achsen hat, konnte ich das Teil nicht so einrichten, dass eine sinnvolle Belegung entstand, bei der ich nicht mitten im Flug zu Tastatur oder Maus greifen muss. Und das liegt nicht an der Komplexität der Steuerung (denn das fänd ich noch cool – wie damals bei so einigen Simulatoren), sondern daran, dass einige Funktionen gar nicht auf den Joystick zuweisbar sind.
Steuerung per Maus und Tastatur ist gar nicht so schlecht – daran kann man sich glatt gewöhnen. Aber mal abgesehen davon, dass ich meinen Joystick gerade für Spiele wie die "X"-Spiele überhaupt besitze, gibt es bei dem Mausflug generell auch ein Manko, über das sich viele Spieler aufregen: es gibt ausschließlich einen Flugmodus, in dem man dem Mauscursor folgt. Dass der Mauscursor also auf das Zentrum des Fadenkreuzes festgesetzt ist und man die Bewegung direkt steuert, ist (bislang) nicht implementiert.
Als Nebensache möchte ich zumindest noch erwähnen, dass sich die Steuerung (trotz Regulierung der Steuerungs-Sensibilität) in den Egoperspektive-Rumlauf-Sequenzen viel zu "schnell" anfühlt. Man steuert immer wieder gegen, weil man sich zu schnell umgeguckt oder ein paar Schritte zu weit gelaufen ist. Nicht so dolle – aber daran kann man sich, meiner Meinung nach, auch gewöhnen.
Interface:
Eine etablierte Spielreihe mit einem neuen Teil von Grund auf neu zu gestalten, ist allein schon deshalb schwierig, weil solche Design-Entscheidungen Geschmackssache sein können. Was das Interface des Spiels angeht, kann man allerdings kaum von "mag ich" oder "mag ich nicht" sprechen, da Vieles einfach wesentlich umständlicher oder gar unmöglich (gegenüber den Vorgängern) geworden ist.
Das Hauptmenü (zum Beispiel um Schiffsinfos und vieles vieles mehr zu bekommen) ist dermaßen winzig geraten, dass man die Schrift darin kaum noch lesen kann. Gestaltet ist dieses Hauptmenü wie das Kreis-Menü aus "Mass Effect", wobei man die Auswahloptionen aber auch mit den Nummerntasten auswählen kann. Was direkt ins Auge fällt, ist die starke Verschachtelung der winzigen Menüs. Sagen wir, wir suchen einen Händler für Dronen. Wir funken irgend eine Person im All an und wählen aus "Können Sie mir sagen, wo Folgendes zu finden ist...". Dann muss man sich da so durchklicken (siehe die jeweils aufleuchtende Auswahl, die ich treffen muss):
Die Problematik des Landens:
Wie weiter unten in der Liste "Dinge, die leider entfernt wurden" aufgeführt wird, wurde das Landen an Stationen und Frachtern komplett verändert. Anstatt entweder automatisch oder manuell eine Landebucht anzufliegen, fliegt man nun nur noch direkt an die Landebucht, klickt auf "Andocken" und schon ist man in der Ego-Perspektive und befindet sich auf dem Dock.
Das wäre an sich ja kein Problem, aber die Landebuchten, die man andocken kann, sind gar nicht leicht zu finden – teilweise sind das ungekennzeichnete Lande-Pads. Positionslichter gibt es keine mehr. Es erscheint bereits wenn man weit weg von der Station ist, ein winziges Symbol, das man mit der Maus doppelklicken muss, um zum Kommando "Andocken" zu gelangen. Wenn man jedoch nicht nah genug an der Landebucht ist, erscheint der "Andocken"-Button nach dem Doppelklick erst gar nicht. So fliegt man so lange um die Station oder das Schiff herum, bis man die exakte Position der Landebucht gefunden hat und ist die ganze Zeit am Doppelklicken auf das Symbol — in der Hoffnung, sich nun endlich an einer Position zu befinden, von wo aus der "Andocken"-Button erscheint.
Es ist zum Verrücktwerden.
Dinge, die leider entfernt wurden:
- Man kann keine anderen Schiffe mehr fliegen, nur noch sein eigenes Startschiff. Den Schleudersitz betätigen und in andere Schiffe einsteigen – das gibt es in "X Rebirth" nicht mehr. Man kann an Frachtern, die man besitzt noch andocken und auf dem Dock herumlaufen, aber selbst in Cockpitsicht steuern – das geht nicht mehr. (Das einzige, was man außer seinem eigenen Schiff noch in Cockpit-Sicht steuern kann, sind kleine Dronen.)
- Man kann sein Schiff nicht mehr per Fernsteuerungs-Kommandos steuern. Man kann höchstens anderen Schiffen, die man besitzt, Kommandos geben.
- Das Landen an Stationen besteht bei "X Rebirth" nur noch darin, auf den Button "Andocken" zu klicken, woraufhin sich unser Protagonist in Ego-Perspektive aus dem Sitz erhebt und durch die Tür hinter sich das Schiff verlässt und die Station betritt. Keine automatischen Landesequenzen mehr, kein manuelles Einfliegen in eine Landebucht mehr – nichts in der Richtung.
- Handelsgüter kann man nicht mehr in sein eigenes Schiff laden und sie selbst zum Zielort fliegen. (Das übernehmen die anderen Schiffe, die man befehligen kann.) Das einzige, was man noch selbst besitzt und handeln kann, ist Equipment. Solches findet man unter anderem auch in Kisten und Spinden auf Stationen auf denen man herumläuft.
Ich muss sagen, dass mich das Spiel trotz der Mängel und momentanen Unzulänglichkeiten irgendwo begeistert. Man kann das Potenzial, das darin steckt, förmlich spüren. Die neuen Highways, die das SINZA ablösen (innerhalb eines Sektors kann man mit ihnen schneller Reisen) und die Mega-Highways, die die Sprungtore ersetzen, erinnern mich positiv an "Freelancer" und geben dem Spiel eine gewisse Rasanz. Auch gibt es keinerlei Ladebildschirme zwischendurch.
Alles, was im Spiel passiert, ist sehr authentisch in Szene gesetzt. Natürlich kann man sich ebensogut vorstellen, dass man im wirklichen Leben, würde man in der Zeit in so einem Universum leben, auch einfach (wie in "X3") Stationen anfunken und sich mit jeder Person dort verbinden lassen könnte – wahrscheinlicher bzw. realistischer wäre da jedoch der Weg, den man in "X Rebirth" präsentiert bekommt: man funkt ein vorbeifliegendes Schiff an, fragt, ob dem Captain des Schiffs zufällig ein Schrotthändler bekannt ist und dieser nennt einem dann den Namen und die Station, wo sich diese Person befindet. Dann landet auf dieser Station, läuft dort herum und sucht den Schrotthändler selbst. Es ist also irgendwo lebensechter — und lebendiger wirkt es sowieso. Ich find's super.
Ich weiß, dass Egosoft alles daran setzen werden, das Allerbeste aus dem Spiel zu kitzeln und ich freue mich auf (und über) jedes Update. Ich kann zwar die ganzen Negativrezensionen auf Amazon gut nachempfinden, aber Egosoft wollten nunmal eine "Wiedergeburt" der X-Reihe erschaffen und das ist ihnen gelungen. Klar fallen da einige Features weg und andere kommen hinzu – es ist nunmal von Grund auf ein andersartiges Spiel. Und wer all die vorherigen Features so sehr vermisst, der hat dann ja immernoch die Vorgänger – die werden einem durch den Release von "X Rebirth" ja nun nicht weggenommen oder so.
Es ist auch noch wichtig, anzumerken, dass Egosoft immer schon gesagt haben: "X Rebirth ist NICHT X4. Vielleicht machen wir irgenwann mal ein X4, aber Rebirth ist es nicht."