Atreyu schrieb:Irgendwann habe ich langsam angefangen, zu verstehen, was da gesagt wurde. Das ging so mit völlig sanftem Übergang und plötzlich hat das Schauen noch mehr Laune gemacht.
Ich würde sagen, dass der ausschlagende Punkt dabei tatsächlich das eigene Interesse ist, das einen aufnahmefähig macht. Wie oben schon anhand anderer Beispiele genannt: Wenn man etwas verstehen will, weil es einen interessiert und man keine deutsche Variante zur Verfügung hat, dann klappt es erstaunlich schnell mit der Eingewöhnung in die englische Sprache.
Hättest du all die Cartoon Network-Serien in deutscher Sprache zur Verfügung gehabt, hättest du den Einstieg in die englische Sprache nie auf diese Art bekommen. Und das ist meines Erachtens das Problem an der heutigen Zeit. Heutzutage kriegt man alles in Deutsch auf dem Silbertablett serviert. An sich ja eine super Sache! Aber es hat eben auch den Nachteil, dass sich besonders junge Leute einfach von vornherein nicht mit Englisch beschäftigen wollen. Daher sind die Kinder und Jugendlichen von heute oftmals echt schlecht im Schulfach Englisch. Wozu sollen sie die Sprache lernen, wenn sie eh alles in deutscher Sprache bekommen?
Atreyu schrieb:In der Schule dann habe ich gemerkt, dass viele Mitschüler sich alles im Kopf übersetzten, was natürlich langsam war und - informatisch ausgedrückt - hohe "CPU-Last" verursachte.
Das ist auch die falsche Herangehensweise. Klar ist es nüchtern betrachtet logisch, dass man es so macht, aber im Endeffekt sollte man sich eher lange davon berieseln lassen. Ich geb meinen Schülern immer den Tipp: Schaut euch eine Serie an, die ihr schon kennt – nur dann in englischer Sprache mit englischen Untertiteln. So wisst ihr schon von vornherein, was da passiert, sodass ihr nicht das Gefühl habt, etwas zu verpassen. Je mehr man auf diese Art konsumiert, desto mehr kommt man in die Sprache rein. Vor allem (und das ist mit die wichtigste Sache von allen!) lernt man so auch den Tonfall und die Art, WIE die Leute sprechen. Welche Silben wie lang gezogen werden, und und und. Das ist wertvoller für den eigenen Sprachgebrauch, als man meinen sollte.
Atreyu schrieb:Aber ganz egal, wie gut ich Englisch lerne, deutsch wird mir immer näher liegen und daher immer bevorzugt.
Daran gibt es absolut nichts auszusetzen. Das versteh ich gut und so ging's mir ewig!
Erst 2007, also 1 Jahr nach meiner Ausbildung und meinem Abi, hab ich (durch "Friends") bemerkt, dass es tatsächlich gravierende Qualitätsunterschiede gibt. Ich fand die Serie auf deutsch immer gut – aber ich hätte zuvor NIE IM LEBEN erwartet, dass sich die deutsche Fassung SO extrem von der englischen unterscheiden würde. (So gut wie ALLE Charaktere in der Serie werden in der deutschen Fassung total falsch rübergebracht. Das sind ganz andere Menschen!) Das war wohl der Grundstein für meine Umorientierung.
Dennoch habe ich bestimmt noch bis 2012 STETS die deutschen Versionen von Filmen und Spielen über alles andere gestellt. Auch "Skyrim" habe ich lange Zeit in deutscher Sprache gespielt. ICh hatte nicht einmal INTERESSE an den englischen Originalen der (zum Beispiel) LucasArts-Adventures oder anderer Spiele, die ich von damals kannte. Nur bei TV-Serien aus dem englischsprachigen Raum war ich schon soweit, dass ich von vornherein deutsche Synchronisationen gemieden habe.
Mit der Vorstellung, auch Spielfilme im Originalton zu schauen, wurde ich auch eine ganze Zeit lang nicht warm. Ich hatte immer die Befürchtung, ich würde Dinge nicht verstehen. Klar hab ich mir Filme, die ich auf deutsch schon kannte, dann auch mal auf englisch geschaut, aber unbekannte Filme? Nee! Immer erst lieber auf deutsch.
Ich glaub erst durch Lena, die O-Ton bevorzugte, kam ich so langsam da rein. Und irgendwann war es dann echt soweit, dass ich deutsche Sprachversionen nicht mehr ab konnte. Wenn ich auch nur KURZ diese typischen Synchronsprecher gehört habe, hab ich schnell die Sprache umgestellt. Denn: Je mehr Filme ich im O-Ton sah, umso mehr wurde mir der Unterschied klar. Nicht immer qualitativ, aber doch ganz besonders was die Atmosphäre anging.
Typische deutsche Floskeln passten zum Beispiel oft irgendwie nicht zu den Schauspielern, die sie aussprachen. Und wenn ein Film in Irland spielt, will ich auch irischen Akzent hören. Sowas halt. Ganz schlimm immer, wenn ein englischsprachiger Film (oder eine Serie) einen Charakter zeigt, der eine ganz bestimmte Nationalität haben soll und dann hört man einen deutschen Sprecher, der extrem klischeeträchtig versucht, zum Beispiel südamerikanischen oder pakistanischen Akzent zu simulieren. (Im O-Ton hat man ja dann meistens wirklich Leute, die diesen Akzent ganz natürlich haben.)
Atreyu schrieb:Schlimm finde ich nur, dass ich offenbar immer rechtfertigen muss, wieso ich manches lieber auf deutsch schaue. Ich wohne nunmal in der Bundesrepublik, Entschuldigung dafür!
Wie gesagt: Ich habe deinen Satz zuvor auch nur hervorgehoben, weil ich ihn als allgemeingültig aufgefasst habe (so von wegen "deutsch ist immer besser", was ich rein faktisch für falsch halte) – was im Nachhinein wohl etwas doof war, weil ich ja im Grunde weiß, dass du es so wohl nicht meintest.
Generell braucht sich bei mir niemand zu rechtfertigen. Ist mir ja recht egal – soll halt jeder so machen, wie er es für richtig hält. Aber ich spreche halt gerne mit Leuten darüber und versuche ihnen zu erklären, warum ICH O-Ton bevorzuge. So im Sinne von: Vielleicht probieren sie das dann auch mal aus und sind positiv überrascht. Das fänd ich toll! Ist natürlich schade, wenn dann von Leuten kommt, dass sie wirkliche Probleme mit der englischen Sprache haben oder aus anderen Gründen Originalwerke nicht genießen können.
Das einzige, was ich nur nicht verstehe, ist, wenn Leute daherkommen und behaupten, dass irgendein Werk "englisch einfach scheisse ist", wenn sie es gar nicht beurteilen können. Was dann "einfach scheisse ist", ist nicht das Originalwerk, sondern die Sprachbarriere an sich. Da können die Schöpfer des Originalwerks NICHTS FÜR, dass man selbst so vehement ablehnend ist.
Denn (nochmal): Ich selbst lehne deutsche Sachen auch nicht ab, wenn sie aus Deutschland stammen. Das ist nunmal das Originalwerk! Ich will auch keinen Heinz Rühmann-Film in englischer Sprache sehen – das verfälscht doch alles! Oder "Das Schwarze Auge" auf englisch spielen. Das ist dann schließlich nicht das Original! Wenn ich bei deutschen Originalwerken sagen würde, dass "deutsch einfach scheisse ist" und jede Englisch-Synchro besser sei, dann wär ich mit dieser Ablehnungshaltung gleichermaßen irrational, oder nicht?