Der Opener
"Shutting Out the Sun" ist ein waschechter Ambient-Opener geworden, der jedoch die Percussion-Rhythmik mehr betont, als es zuvor auf Lunatic Soul-Alben der Fall war. Mariusz Dudas sehr sphärischer, beschwörerischer Singsang, der sich wie schon auf früheren Alben eher im Hintergrund aufhält, ist durch und durch Lunatic Soul.
Der zweite Song
"Cold", der schon als Vorabsingle (in Polen auf CD, überall sonst nur als digitaler Download) veröffentlicht wurde, hätte vom Stil der Instrumentierung am ehesten noch auf
Impressions gepasst: Der Grund-Beat des Songs ist ein warmer Elektro-Bass-Teppich. Hier singt Duda sehr ähnlich wie auf den letzten Songs von
Lunatic Soul II oder gar wie bei Riverside (sprich: sehr Song-orientiert), schwebt mit seiner Stimme aber zu jedem Zeitpunkt über dem treibenden Grundfluss des Songs.
Lied Nummer 3,
"Gutter", geht noch einen deutlichen Schritt weiter in Richtung Riverside und klingt tatsächlich wie zu
Rapid Eye Movement-Zeiten! Man wird direkt an
"Schizophrenic Prayer" oder
"Cybernetic Pillow" erinnert. Zunächst hatte mich dies ein kleines Bißchen enttäuscht, da ich nunmal Lunatic Soul erwartete und nicht Riverside – allerdings hielt dieses Gefühl nur bis zum unglaublich packenden Refrain vor. Nicht nur ist es ein absoluter Ohrwurm, den man auch noch Stunden nach dem Hören des Albums im Kopf behält, sondern präsentiert besonders Dudas unfassbar schöne Kopfstimme! Dass dieser Mann sich "in meinen Ohren" noch steigern würde (er ist eh mein absoluter Lieblingssänger), hatte ich nicht für möglich gehalten. Doch mit diesem Song hat er eine völlig neue Messlatte gelegt. Der schiere Wahnsinn.
Die folgenden beiden instrumentalen Songs
"Stars Sellotaped" und
"The Fear Within" kann man sich als Song-Duo in etwa so vorstellen wie
"Where the Darkness is Deepest" und
"Near Life Experience" vom ersten Lunatic Soul-Album: eine länger andauernde Reise durch instrumentale Ambience-Welten. Zwar stellt Song 4 lediglich ein eineinhalb-minütiges Intro zu Song 5 dar, dieser ist jedoch umso länger und entfaltet sich sehr gemächlich. Hier wird mehr und mehr eine düstere Atmosphäre der Angst aufgebaut, die sich erst im letzten Drittel entspannt. Die letzte Minute des Songs ist ein Ausklingen, das sehr an den Anfang von
"Transition" von
Lunatic Soul II erinnert und den fließenden Übergang zum nächsten Song bildet.
"Treehouse" ist etwas, das man nun weder von Riverside, noch von Lunatic Soul in der Form je gehört hat. Es handelt sich dabei um eine treibende Halbballade, die von einer ruhigen, Porcupine-Tree-ähnlichen Percussion lebt und dabei eine wahnsinnig ohrwurmige und süchtigmachende Melodie hat. Der absolute Über-Hit des Albums! Wer dachte, das Album hätte schon mit
"Gutter" einen starken Kaufgrund im Ärmel... mit
"Treehouse" hat es zwei.
Mit dem längsten Song des Albums, dem 12-minütigen
"Pygmalion's Ladder", geht es zu Anfang wieder Ambience-lastiger zu Werke. Es hat ein dreiminütiges Intro, das die typische Lunatic Soul-Stimmung präsentiert und sogar ein bißchen an Steven Wilsons und Mikael Åkerfeldts
Storm Corrosion erinnert. Anschließend singt Duda in seiner wunderschönen, sanften, beinah gehauchten Stimme, bei der man jeden Konsonanten zu spüren scheint. Gegen Mitte steigert sich der Song in bedrohlichere Gefilde, bietet ein langes, regelrecht mystisch angehauchtes Gitarrensolo mit diversen anderen Instrumenten, welches sich zum Ende noch in Fülle steigert und dann mit ruhigem Glockenspiel und Akustikgitarre auszuklingen scheint – überraschenderweise zieht hier ein leicht verzerrtes Gitarrensolo den Schlussstrich des Songs.
"Sky Drawn in Crayon" ist das vorletzte Kapitel der Story und basiert auf einem lockeren Akustikgitarren-Hook, der von diversen Stimmeffekten untermalt wird. Dudas Gesang ist hier betont esoterisch und bildet eine perfekte Harmonie mit der gefühlvollen Melodie. Ab der Mitte wird der Song mit einer subtilen Synthesizer-Melodie verziert, bevor (zunächst SEHR überraschende) Elektronik-Effekte rhythmisch eingestreut werden. Es klingt beinah wie Computerspiel-Soundeffekte, die Elektroschocks darstellen sollen. Nach den ersten paar Malen hat man sich dann daran gewöhnt und sieht die Effekte als innovativen Part des Songs, der zum Ende schlagartig in Verzerrung verschwindet.
Wer den letzten Song von
Lunatic Soul II,
"Wanderings", kennt, der wird sich angesichts des nun abschließenden Titel-Tracks des Albums,
"Walking on a Flashlight Beam", direkt wie zuhause fühlen. Das Lied kann man glatt wie den Endsong eines Films verstehen und ebenso Hymnen-artig klingt er auch. An Instrumenten wird noch einmal alles in einer warmen Atmosphäre zusammengeführt, während Mariusz Duda die finalen Gedankengänge und Zusammenfassungen des Protagonisten zum Besten gibt. Das Gefühl, am Ende angelangt zu sein, wird vollkommen perfektionistisch zu einem instrumentalen Höhepunkt gesteigert, bevor das Album ruhig – und etwas wehmütig – ausklingt.