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[Kritik] CD-Rezensionen
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Interpret: In Flames
Titel: Siren Charms
Format: Album
Release: 05.09.2014
Genre: Modern Metal

Anspieltipps:
"Passenger II"? Oder: Der holprige Werdegang einer Legende

Hach ja, die leidige In Flames-Diskussion, die scheinbar nie endet. Jedes einzelne Mal, wenn diese Band ein Album herausbringt, gibt es die hitzigsten Streitgespräche darüber, was noch "Weiterentwicklung" und was schon "Stilbruch" ist. Also geht es nun ebenfalls wieder los.

Meinen ersten Kontakt mit der Musik von In Flames hatte ich 2000, als ich das erste Mal die Clayman-Scheibe gehört habe. Nachdem ich mich immer weiter in den Backkatalog der Band hineingehört hatte, stand für mich fest: Whoracle, Colony und Clayman stellte für mich persönlich die absolute Referenz-Trilogie im Genre des melodischen Death Metal dar. Auch The Jester Race wusste sehr zu gefallen und nach mehreren Durchläufen wurden sogar Lunar Strain und Subterranean Lieblings-CDs in meinem CD-Regal. In Flames waren zu der Zeit eine Band, die euphorisch gefeiert wurde. Ihr Live-Album The Tokyo Showdown (Live in Japan 2000) war ein Zeugnis dieser grandiosen Fülle an unglaublich gutem Songmaterial.

Dann kam Reroute to Remain und überall in der Fachpresse hieß es "Ist das nicht genial? Anders Fridén traut sich diesmal voll und ganz Clean Vocals zu! Gut für ihn!". Die Band selbst ließ verlauten: "Heutzutage macht doch jeder Melodic Death Metal in diesem Stil! Wir wollen von diesen ausgetretenen Pfaden weg und etwas Neues auf die Beine stellen." Auch die Änderung des Band-Logos (die zweite Änderung nach dem Wechsel von The Jester Race hin zu Whoracle) machte deutlich: Hier handelt es sich um eine neue Identität, einen neuen Stil, etwas Frisches und Unverbrauchtes. Und ja: Dieses Album mochte ich ebenfalls sehr gerne, auch wenn mir die vordergründigen Melodiebögen meiner Referenz-Trilogie (Stichwort: Twin Leads, wohl am besten zu genießen in "Jotun", "Embody the Invisible", "Scorn" und "Swim") fehlten. Melodik war aber nunmal dennoch da und die Songs auf "Reroute" machten einfach Spaß!

Doch schon das Folgealbum Soundtrack to your Escape wurde eine erste (wenn auch nur leichte) Enttäuschung. Der Sound zu matschig, die Melodien noch weiter in den Hintergrund gerückt. Zu schade. Come Clarity ging konsequenter in Richtung Clean-Gesang, sorgte aber glücklicherweise für frischen Wind und neue Energie. Songs wie "Take this Life", "Come Clarity" und "Vanishing Light" waren absolute Glanzstücke! Das gesamte Album erinnerte von den Songstrukturen ein wenig an Reroute to Remain und atmosphärisch ein wenig an die alten Klassiker der Band. Sicherlich wurde hier nicht mehr "reinrassiger" Melodic Death Metal geboten, doch wen kratzt so etwas, wenn die Songs einfach gut sind?

Leider entpuppte sich das anschließende A Sense of Purpose als deutlich schwächer  so wirklich gefielen mir davon eigentlich nur noch die Bonus-Tracks "Eraser", "Tilt" und "Abnegation". Anders Fridén wurde zunehmend weinerlicher in seinem mittelmäßigen Clean-Gesang und rauherer Gesang war einfach immer spärlicher gesät. An sich nichts Schlimmes, aber auch die Qualität des Songmaterials wusste nicht so recht zu überzeugen. Leider! Bei Sounds of a Playground Fading war ich zunächst wirklich froh darüber, dass hier die Melodik wieder stärker im Vordergrund stand. Doch schon nach wenigen Durchläufen des Albums wurde klar: Kaum etwas von der einstigen Größe wurde wirklich voll und ganz präsentiert. Es wirkte einfach wie ein noch schwächerer Abklatsch des Vorgängeralbums und nicht selten bekam ich bei dem Album das Gefühl, dass ich mir eigentlich ebenso gut ein Album von Korn hätte kaufen können, allein vom Gesang her. Nicht gut. Dass Jesper Strömblad mit dem Song "Jester's Door" seinen Abschied von der Band untermalte, war nur allzu bezeichnend. Von der einst stolzen "Jester"-Rasse – mit den mystischen Lyrics, die nicht von dieser Welt waren, den fantastischen Artworks, der typischen und einzigartigen In Flames-Atmosphäre – war eh praktisch nichts mehr übrig.

Und nun Siren Charms.

Sicherlich sind das immer noch irgendwo In Flames, ob man will oder nicht. Und das hört man auch streckenweise immer wieder heraus! Den vollkommen übertriebenen Vorwurf des "Ausverkaufs" kann man ihnen damit ebenfalls nicht vor die Nase knallen  wirklich nicht! Doch warum sieht es diese Band so sehr als ihre Pflicht an, Stück für Stück immer mehr von ihrer einstigen Identität zu verlieren? Klar: Niemand will immer und immer wieder das Selbe hören und Weiterentwicklung ist generell löblich, ABER: Möchte man als Fan einer Band wirklich mit jedem neuen Album ein Überraschungsei kaufen und hoffen, dass Elemente davon noch gefallen? Weiterentwicklung sollte im Grunde so sein, dass man zwar frische Neuerungen bringt und nicht auf der Stelle stehen bleibt, aber dennoch sollte der typische Stil der Band auch irgendwo beibehalten werden. Ebenfalls absolut klar: Niemand braucht eine Colony II oder eine Reroute to Remain II. Wer die alten Alben der Band hören will, der KANN sie ja auch hören! Die existieren immer noch und sie werden uns auch durch das neue Album nicht weggenommen! Dennoch ist es seit mehreren Jahren aber nun beinah so, dass auf Releases, auf denen der Name In Flames steht, nicht mehr wirklich In Flames drin ist. Und das finde ich einfach außerordentlich schade.

Erinnert sich irgendwer da draußen noch an Anders Fridéns Projekt Passenger? Damit hat er anno 2003 ein gezieltes Mainstream-Projekt auf die Beine gestellt, mit dem er einfach massentauglichere, poppigere Songs gemeinsam mit Niclas Engelin (u.a. Gardenian) machen wollte. Dass eben dieses Passenger-Album nun allerdings knackiger, härter und In Flames-ähnlicher ist als das tatsächliche neue Album von In Flames, sagt doch schon alles. Siren Charms hätte definitiv ein konsequentes zweites Passenger-Album werden können! Das hätte super funktioniert! (Die Songs "Everything's Gone" und "Paralyzed" SIND praktisch waschechte Passenger-Songs!) Ein paar Brecher, massig Midtempo-Pop-Hymnen, Anders' inzwischen typisches Clean-Genöle, instrumentale Experimente und das eine oder andere Aufflackern einer Erinnerung an In Flames-Melodien. Das funktionierte damals mit Passenger perfekt! WARUM Siren Charms unter dem Banner In Flames veröffentlichen?

Das Songmaterial IST nicht schlecht! Einige Songs haben wirklich tolle Elemente und wissen zu gefallen. "When the World Explodes" mit Gastsängerin Emilia Feldt wirkt regelrecht opulent und ist äußerst innovativ. Allerdings muss man für so etwas natürlich offen sein! "Dead Eyes" ist allein von der Melodik her ein waschechter In Flames-Song geworden – man muss allerdings über einige wirklich dürftige Clean-Vocals drüber weg sehen können! Und "Monsters in the Ballroom" ist ebenfalls super geworden, auch wenn es fast gar nicht mehr nach In Flames klingt.

Das Fazit des Ganzen: Ich merke ganz deutlich, dass ich als alteingesessener In Flames-Fan mit Mühe über meinen Schatten springen muss, um Siren Charms hören zu können. Ich hätte mir wesentlich mehr Grunts und Growls gewünscht, aber das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert. Für mich ist Siren Charms viel mehr Passenger II als ein neues In Flames-Album. Damit komm ich klar.

Und für Melodic Death Metal, der auch bleibt, was er ist und dennoch mit jedem Album innovativer und packender wird, gibt es ja immer noch Scar Symmetry (für mich persönlich die einzig wahren geistigen Erben der alten Referenz-Trilogie Whoracle, Colony und Clayman).
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