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[Review] AMBERSTAR
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[Bild: 5486-Amberstar-1-thumb.jpg]

Vorab die obligatorischen Infos:
  • Name: Amberstar
  • Genre: Rollenspiel
  • Hersteller: Thalion
  • Veröffentlichung: 1992
  • Systeme: ursprünglich entwickelt für den Atari ST, Konvertierungen für den Amiga und PC (DOS)

Endlich habe ich Amberstar durch. Das wollte ich eigentlich schon vor über drei Jahren, aber mir kam was dazwischen. Und zwar Gothic 1+2, um genau zu sein... Big Grin

Nun aber zum eigentlichen Review (bezieht sich auf die Amiga-Version):

Um es gleich vorweg zu nehmen: Amberstar hat sich auf jeden Fall gelohnt! Ich würde es als einen mit einer dicken Kohleschicht überzogenen Edelstein bezeichnen, der seinen Glanz erst nach und nach entfaltet.
Gerade am Anfang muß man sich doch ziemlich durchquälen, und die Gefahr ist groß, daß man es gleich wieder von der Platte löscht. Jedenfalls ging es mir so. Und das wäre wirklich jammerschade.

Woran liegt das? (Erst mal das Negative vorneweg. Sollte man zwar nicht machen, aber keine Sorge, es kommt noch genug Positives.)

1. Die Grafik: Ich hatte mich ja auf einiges eingestellt, aber beim ersten Anblick der 2D-Übersicht und der 3D-Dungeons wäre ich am liebsten schreiend davongelaufen. Alles sehr pixelig, krümelig, klein (2D) und farbarm, monoton (3D). Nun ja, Amberstar muß ja leider mit 16 Farben auskommen, dafür geht's eigentlich. Ärgerlich ist auch, daß viele Monster gleich aussehen. Hier gibt es zuwenig Abwechslung. Grafisch gab es schon damals wesentlich besseres. Aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles.

2. Die Bedienung: Sehr gewöhnungsbedürftig und umständlich. Kein Drag & Drop. Der Austausch von Gegenständen untereinander und der Warenhandel sind geradezu unglaublich umständlich und zeitraubend. Außerdem ist es alles andere als selbsterklärend.

3. Der Anfang ist schwer. Ich meine so richtig schwer. Da man selbst mit seinen gerademal vier Lebenspunkten ziemlich schlapp ist, braucht man dringend Mitstreiter. In Twinlake kann man nur Silk aufgabeln, der auch noch keine Bäume ausreißen kann. Für weitere muß man den beschwerlichen Weg nach Crystal auf sich nehmen, wo man Gryban und Trasric zur Mitarbeit überreden kann. Die Reise nach Crystal ist nicht ohne. Zu Fuß dauert es. Es bricht schnell die Nacht herein. Das ist in Amberstar ziemlich simpel gelöst: der Spielbildschirm wird schlicht schwarz. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als entweder die Zeit manuell vorzuspulen oder sein Zelt aufzuschlagen. Und das mehrmals hintereinander. Ziemlich nervig. Nun ja, man kann allerdings auch bei Fackelschein weitermarschieren. Aber darauf bin ich erst viel später gekommen... Was ich sagen will: erst, wenn man so drei oder vier Leute in der Party hat (wofür man anfangs viel Zeit einplanen muß), sollte man sich überhaupt an die erste Aufgabe in Twinlake heranwagen. Amberstar ist also nicht gerade einsteigerfreundlich.

4. Es gibt nur einen einzigen Spielstand (aaargh). Macht aber nichts. Man kann sich auch selbst Sicherungen anlegen, sofern man die Amiga-Diskettenversion unter WinUAE spielt.

5. Es gibt Deadends (aaaaaaarrrgh). Üble Fallen und Sackgassen lauern z.B. in den Katakomben des Pharao und im Turm der Schwarzen Magier. Hier kann man nicht einfach wieder raus marschieren, sondern muß sich bis zum Ausgang durchschlagen. Schafft man das nicht, weil man da zu früh und unvorbereitet reingetappt ist, heißt es "Game over" (es sei denn, man hat eine Sicherung zur Hand, siehe Punkt 4).


Nun aber genug der negativen Kritik. Denn zum Glück überwiegen die positiven Aspekte bei weitem. Was ich an Amberstar sehr schätze, geradezu liebe, ist, daß es sämtliche Eigenschaften hat, die ein gutes Rollenspiel ausmacht. Dazu gehören eine spannende Story, ein gerüttelt Maß an Freiheit und Nichtlinearität, eine motivierende Charakterentwicklung, massenhaft Atmosphäre, geniale Musik, wunderbare Ideen und Rätsel sowie ein gutes Kampf- und Magiesystem. Bei all diesen Dingen kann Amberstar ordentlich punkten und hat es für mich unvergeßlich gemacht. Die paar Schwächen, die ich oben gennant habe, fallen da so gut wie gar nicht mehr ins Gewicht.

Die positiven Punkte im Einzelnen:

1. Story und Umfang
Die Geschichte um die Zusammenführung des Amberstars, der vor langer Zeit in 13 Teile zerbrochen und in alle Winde verstreut wurde, ist spannend genug, um einen von Anfang bis zum Ende bei der Stange zu halten. Die Suche entpuppt sich dabei als angenehm verzwickt, abwechslungs- und umfangreich. Ich war immer wieder erstaunt, wie groß und ideenreich die Welt Lyramion angelegt ist. Man ist schon ein paar Wochen gut beschäftigt.
Toll an Amberstar ist in diesem Zusammenhang auch die weitestgehende Nichtlinearität und Freiheit. Es gibt zwar Hinweise, was als nächstes angepackt werden könnte, man muß es aber nicht. Man kann von Anfang ungehindert fast überall hinreisen und die Welt erforschen. Beschränkungen werden eigentlich nur durch die Gegnerstärke und bestimmte Transportmittelvoraussetzungen (z.B. Schiff) vorgegeben. Da kann ich nur sagen: super, so muß das sein.

2. Atmosphäre und Sound
Sobald man sich durch die happigen Anfangsschwierigkeiten durchgebissen, die ersten Aufgaben erledigt und Levelaufstiege geschafft hat, gewinnt Amberstar rasant an Fahrt und baut eine richtig tolle Atmosphäre auf. Die ist schwer zu beschreiben, man muß es schon selbst erleben. Maßgeblich dazu bei trägt der phantastische Sound von Jochen Hippel. Es gibt zwar (leider, leider) keine Soundeffekte, doch wird dieses Manko durch die Musik mehr als Wett gemacht. Es gibt einige wunderschöne Stücke, wie z.B. im Intro, auf dem Friedhof (ja, ihr habt richtig gelesen) oder während des Flugs mit dem Adler. Die Musik gehört definitiv mit zum Schönsten und Besten, was ich je bei einem Computerspiel gehört habe. Als adäquater Vergleich fällt mir eigentlich nur die brillante Musik von Monkey Island ein.

3. Rätsel- und Questdesign
Die Rätsel und Aufgaben beeinflussen natürlich auch maßgeblich die Atmosphäre insgesamt. Diesen Punkt kann man deshalb als Unterpunkt zu Punkt 2 sehen.
Ich halte diesen Teilaspekt für einen der größten Stärken von Amberstar. Die Rätsel und Aufgaben sind so, wie sie sein sollten, um die Motivation hoch zu halten: kreativ und abwechslungsreich, spannend und herausfordernd, mit manchen Kopfnüssen und einigen wunderbaren Einfällen. Hier mal ein Rätselbeispiel: "Du tust es die ganze Zeit, es ist nichts und doch alles; und es ist das größte Rätsel aller Wesen dieses Universums." Die Antwort ist übrigens gar nicht so schwer.
Kurzum: Einfach klasse!

4. Charakterentwicklung
Die Charaktergenerierung ist unkompliziert und abgespeckt. Zu Beginn kann man die Hauptattribute auswürfeln sowie Name, Geschlecht und Konterfei festlegen. Das war's. Anfangs ist man völlig gildenlos und kann sich aussuchen, was man werden will. Theoretisch jedenfalls. Praktisch wird man eher Krieger, Dieb oder Paladin, da die anderen Gilden 1. ziemlich weit weg und 2. nicht so ohne weiteres zugänglich sind. Der Levelaufstieg geschieht so, daß man, sobald man genug Erfahrungspunkte beisammen hat, zu seiner Gilde marschiert, den geforderten Geldbetrag auf den Tisch legt und dann entscheidet, welche Fähigkeiten trainiert werden sollen. Der Marsch zur Gilde ist manchmal etwas langwierig und nervig, aber man gewöhnt sich dran. Und sobald man den Adler hat, ist es ohnehin kein großes Thema mehr.
Insgesamt fand ich die Charakterentwicklung sehr motivierend, es hat richtig Spaß gemacht. Also ein klarer Pluspunkt.

5. Das Kampf- und Magiesystem
Das Kampfsystem ist rundenbasiert und wird auf einer Art Schachbrett ausgeführt. Das muß man mögen. Wem das nicht gefällt, sollte lieber was anderes spielen. Mir hat es insgesamt trotz einiger Schwächen gefallen. Schön ist eben, daß man in aller Ruhe seine Strategie planen kann. Da kommt keine Hektik auf. Nicht gefallen hat mir, daß man fliehende Feinde nicht verfolgen kann. Man kann lediglich bis zur zweiten unteren Reihe vorrücken. Im ersten Spieldrittel muß man deshalb manche Feinde entkommen lassen. Spätestens aber, wenn der Schwarzmagier Trasric (der muß unbedingt mit!) entsprechende Flächenzauber beherrscht, ist es damit zum Glück vorbei.
Das Magiesystem ist nach meiner Meinung tadellos umgesetzt. Es gibt die drei Klassen schwarze, weiße und graue Magie mit insgesamt 76 Zaubersprüchen. Da kommt keine Langeweile auf. Die Anwendung ist denkbar unkompliziert. Nach meiner Ansicht gibt es hier keine ernsthaften Kritikpunkte.

Fazit:
Amberstar ist ein wunderbares Beispiel dafür, daß ein klassisches Rollenspiel (denn ein solches ist es zweifellos) vor allem dann fesselt, wenn es Tiefe, Atmosphäre, Freiheit, Abwechslung, eine tolle Story und ebensolche Rätsel und Aufgaben hat. Wenn man erst den schwierigen Anfang geschafft hat, wird man förmlich in das Spiel hineingesogen, so daß letztendlich die zweifellos vorhandenen Schwächen gar nicht mehr stören, sogar teilweise überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden. Wer ein gehaltvolles, klassisches Rollenspiel sucht, wird mit dem glänzenden Amberstar insgesamt bestens bedient!

P.S.: So, das ist mein allererstes Review. Ich hoffe, daß es halbwegs vernünftig und hilfreich ausgefallen ist. Smile

P.P.S.: Download-Willige werden HIER fündig.
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#2
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Das Spiel ist der absolute Wahnsinn. Habe es auch gezockt ohne Ende und förmlich verschlungen. Damals, noch fast ohne Internet war es noch eine Kunst aus diversen Quellen die Tipps&Tricks zu bekommen und alle Geheimnisse zu finden.

Tolles Spiel!
OGND Member seit dem legendären ezboard
Old Games Never Die
[Bild: elefant.gif]
Der Elefant vergisst nie
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#3
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Jadehawk schrieb:[Bild: 5486-Amberstar-1-thumb.jpg]
P.S.: So, daß ist mein allererstes Review. Ich hoffe, daß es halbwegs vernünftig und hilfreich ausgefallen ist. Smile

Ist es! Vielen Dank! Erinnert mich, dass ich meine Spiele-Liste nochmal aktualisieren könnte. Amberstar habe ich noch nie gespielt, aber bisher nur gutes gehört. Denke, das tu ich mir demnächst nochmal an! eine Ds-Umsetzung wäre toll! Smile

Vielen Dank!
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#4
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Geniales Review! Danke dafür! Smile
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#5
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Das wäre auch ein schöner Beitrag für RechBack gewesen Wink (oder ist es noch Zunge rausBig Grin). Schön sauber geschrieben und sehr informativ Pleased.
[Bild: cgb-signaturwdjiq.png]
Du hast eine (nicht mehr ganz so) geheime Botschaft entdeckt:
"Besucht Heinrich's Spiele-Ausstellung!" ;-)


Big Grin Big Grin
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#6
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Ich steh auf Tests von alten Spielen. Vielen Dank.
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#7
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Danke für das Review. Ich bin grad am Download dran, und bin schon gespannt, ob es wirklich so schwer ist am Anfang.
Aber das Review ist ech super
Amicus certus in re incerta cernitur
[Bild: loomawogf.png]
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