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[Review] Oknytt, Adventure (PC Windows 2013)
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Heute möchte ich euch das schwedische Independent-Point & Click-Adventure Oknytt vorstellen, das auf mich einen nachhaltigen und tiefen Eindruck gemacht hat.

[Bild: oknytttitel.jpg]
[Bild: oknytnacht.jpg]

Handlung und Erzählweise

Oknytt zeichnet sich schon dadurch aus, dass es in einem unverbrauchten Setting angesiedelt ist: Es spielt in den nächtlichen Wäldern und unbetretenen Wildnissen Skandinaviens, durch die wir uns in der Rolle eines kleinen, pelzigen Geschöpfes ("the small insignificant creature") bewegen. Während die Hauptmotivation des Wesens bald darin besteht, einer flügellosen Elfe (bzw. einer Älv) zu helfen, geht es doch eigentlich um Tieferes: Um die Suche nach der eigenen, rätselhaften Existenz dieses Wesens, das einfach so unter einem Grabhügel hervorgekrochen ist. Während das absonderliche Geschöpf und die Elfe Zentrum der Handlung sind, ist es doch gerade der externe Erzähler, der eigentlich die wichtigste Rolle übernimmt. Er beschreibt uns wie ein Geschichtenerzähler am Lagerfeuer die Begebnisse und seltsamen Wunder, denen wir begegnen. Manchmal tut er das mit leichter Ironie, nie aber komödienhaft, das Spiel bleibt immer zugleich ernst und schwermütig, aber auch hoffnungsvoll und ermutigend. Besonders der naive Optimismus des gutmütigen Wesens trägt dazu bei, dieses Gleichgewicht zu halten.
Auf dieser nächtlichen Reise begegnen uns sonderbare, geheimnisvolle, manchmal auch geradezu beängstigende Kreaturen und Wesen. Diese, und das ist das eigentlich besondere an Oknytt, sind aus der reichen skandinavischen Sagenwelt entlehnt, die wenigstens mir gänzlich unbekannt ist. Ein sehr schön gestaltetes Lexikon sammelt im Hauptmenü meine Begegnungen, so dass ich sie später noch einmal betrachten kann. Gerade den reichhaltigen und tiefdringenden mythologischen Hintergrund spüre ich bei dem Spiel allgegenwärtig: Es gelingt den Entwicklern perfekt eine urtümliche, gefahrvolle, düstere Nachtwelt zu erschaffen, in der ich mich einerseits um meine Schützlinge sorge, andererseits den Drang verspüre, in diese nocturnen Tiefen einzutauchen und mich auf die Reise zu begeben. Und diese gefährliche Reise führt durch dunkle Wälder und noch dunklere Höhlen tief in der Erde, entlang an brackigen Seen und auf hohe Felsen hinauf. Die ganze Welt ist von Geheimnis durchwoben und jeder Brunnen und jedes Haus hat seine eigenen Geister, denen wir begegnen.

Bedienung und Gamedesign

Die Bedienung von Oknytt geht leicht von der Hand. Anhand von drei Icons bestimmen wir die grundlegenden Aktionen. Sehr interessant ist ein Feature, das uns als Spieler quasi die Vollmacht über die Elemente gibt: Wir können in jeder Location die Wirkung der Elemente erproben. Wenn wir Wasser wählen, tropft etwa Wasser von einem Felsen herunter, wenn wir aber Feuer wählen, glimmt das erloschene Lagerfeuer auf. Diese simplen Veränderungen der Umgebung sind wesentich, um die Rätsel zu lösen. Allgemein ist das Rätseldesign recht einfach gehalten, wobei ich doch ein-zwei mal einen Walkthrough beigezogen habe.

Grafik

Die grafische Präsentation von Oknytt finde ich äusserst gelungen umgesetzt. Während man die Animationen bemängeln kann, sind gerade die Hintergründe von faszinierender Eindringlichkeit - der Blick in nachtschwarze Wälder, undurchsichtige, schilfbewachsene Weiher, das geheimnisvoll ferne Sternengewölbe - alles trägt ein Gefühl tiefster, profundester Einsamkeit in sich. Aber auch und gerade die Darstellung der Figuren ist sehr gelungen. Die Entwicklern schaffen es hier sehr gut, die mythologischen und folkloristischen Kreaturen nicht zu realistisch aber auch nicht zu comichaft darzustellen - durch diese geglückte Gratwanderung bleibt immer in der Schwebe, mit was ich es zu tun habe - ob mit einem wirklichen Geschöpf oder mit einer Phantasie. Es ist eine Grenzwelt, in der ich mich in diesem Spiel bewege.

Sound

Hinter der grafischen Darstellung steht die Soundkulisse des Spiels nicht zurück: Da es sich bei dem Spiel gewissermassen um eine vorgelesene Geschichte handelt, erklärt uns der Erzähler die Ereignisse. Auch die Stimme des Geschöpfes spricht er selber, so dass stets das Gefühl aufrecht gehalten wird, dass wir hier Zuhörer bzw. Mitspieler eines sehr düsteren, aber immer erzählten Märchens sind. Ganz gelungen ist die Musik, die nie aufdringlich (die Musik im Trailer ist da etwas irreführend, weil viel aufdringlicher), sondern immer atmosphärisch passend die Stimmung unterstützt - allein das Stück im Hauptmenü ist wunderschön und ergreifend, wie ich finde. Die Umgebungsgeräusche sind ebenfalls sehr beeindruckend und fast noch wichtiger: Sie vermitteln nämlich den Eindruck, dass diese Landschaft lebt und dass es sich tatsächlich um eine solche handelt - auch wenn es sich "nur" um ein Adventure in 2D handelt, erwischte ich mich unweigerlich bei abschweifenden Gedanken, was wohl hinter diesen mir zugänglichen Orten sein möge (darin zeigt sich, wie ich finde, die künstlerische Qualität: dass es mich, uneingedenk der Grenzen der technischen Möglichkeiten, in einer unbegrenzten Welt wähnen lässt, weil die Phantasie den Part übernimmt). Bedrohlich grollt da in der Ferne der Donner, Regen prasselt durch das Geäst, ich höre die Schreie nächtlicher Tiere und es knackt verstohlen im Unterholz. Durch dieses gelungene Sounddesign aus Musik und Umgebungsgeräuschen schafft das Spiel eine unheimlich dichte Atmosphäre, wie ich sie selten so erlebt habe.

Fazit

Oknytt hat in mir etwas bewirkt, was ich eigentlich noch nie bei einem Spiel hatte und was mir selber sehr eigenartig erscheint: Ich habe es nicht fertig gespielt. Ganz kurz vor dem Finale habe ich es abgebrochen. Allerdings nicht, weil es mich nicht mehr fasziniert hätte, sondern eben deshalb: Ich habe mir vorgenommen, es noch einmal ganz von vorne zu beginnen um das Geheimnisvolle, das das ganze Spiel durchdringt, noch einmal erleben zu können. Ich habe es nicht abgeschlossen, weil ich dieses Gefühl bewahren wollte. Ich kann mir diese Reaktion wirklich nur dadurch erklären, dass mir das Spiel etwas ganz besonderes gegeben hat. Ehe das ganze hier jetzt in Mystizismus ausartet, will ich's so sagen: Oknytt, das zunächst wie ein stinknormales 2d-Point & Click-Adventure im Märchenstil daherkommt, hat eine derart suggestive, tiefdringende Kraft auf mich ausgeübt, wie ich es nur in den seltensten Fällen von Spielen kenne (Dear Esther war, auch wenn es ein ganz anderes Spiel ist, ähnlich in der Wirkung). Es hat mich in eine mir ganz unbekannte Welt versetzt und es geschickt verstanden, diese von mythologischen und folkloristischen Elementen durchdrungene Welt nicht im Spielverlauf zu entmythifizieren, sondern das Gefühl des Wunderbaren, Sonderbaren und Erschreckenden bis zuletzt aufrecht zu erhalten. Oknytt ist tatsächlich wie ein Märchen, erzählt an einem Lagerfeuer in den nachtschwarzen Wäldern Skandinaviens, und es ist womöglich auch eine düstere, zugleich aber optimistische Parabel an unser aller Suche nach dem unerklärlichen Sinn unseres Daseins. Denn irgendwie sind wir ja alle "insignificant creatures" die allzu oft, und gerade bei den entscheidenden Fragen, in der Dunkelheit tappen.

Oknytt gibt es für den sehr moderaten Preis von €4.99 VÖLLIG KOSTENLOS bei Desura zum Direktdownload. Aber wer lieber Geld ausgeben will: Beim dicken Gabe gibt's das Spiel seltsamerweise weiterhin zum Verkauf... Wink

edit: nur kurz die Preissache geändert.

[Bild: oknyttdraug.jpg][Bild: oknytthexe.jpg]
[Bild: oknyttlorelib.jpg][Bild: oknytthoumlhlenfrau.jpg]
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Oknytt, Adventure (PC Windows 2013) - von Prometheus - 25.10.2014, 00:50

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