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[Review] Outcast (Windows, Infogrames, 1999)
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Heute möchte ich ein Spiel vorstellen, das meiner Meinung nach in nahezu vollkommener Weise Action, Adventure und eine Prise RPG mit einer ungemein tiefgründigen Hintergrundgeschichte und einer exotischen Ausserirdischen-Welt zu einem wahrhaft originellen und einzigartigen Spielerlebnis verknüpft. Die Rede ist von Outcast von Infogrames aus dem Jahre 1999.

[Bild: 978483388-00.jpg]

Handlung


Es hat nicht mit einem promiskuitiven und ausschweifenden Lebenswandel zu tun, dass Cutter Slade, Navy-Seal und seines Zeichens Protagonist von Outcast, mit üblen Kopfschmerzen planlos in einem fremden Bett aufwacht – vielmehr bedeutet es, das etwas ziemlich schief gelaufen ist...
Unterwegs mit einer wissenschaftlichen Expedition, die die Existenz einer Paralleldimension beweisen will, wird Slade durch einen Zwischenfall von den anderen Wissenschaftlern getrennt und findet sich zu Beginn von Outcast in einer fremden Welt mit fremden, aber grösstenteils wohlgesonnenen Ausserirdischen wieder. Die „Talaner“, wie sich die Bewohner „Adelphas“ (des Planeten) nennen, scheinen Slade von Anfang an als den „Ulukaï“, eine Art Messias, zu verehren, der ihnen helfen soll, einen gewissen üblen Tyrannen namens „Faé Rhan“ zu besiegen, indem er durch „Daokas“ (Portale) reist um die vier „Mons“ zu finden... puh, wer bei den fremdartigen Begriffen nicht ganz gestiegen ist, möge sich nicht schämen – Outcast ist voll davon, und es macht einen Teil der Faszination des Spiels aus, seine fremdartige Sprache kennenzulernen. Bis auf einzelne Kernworte sprechen die Talaner auch artiges Deutsch (auch das wird aber storybedingt logisch erklärt).
Bald findet man heraus, dass es vier Kasten in der Gesellschaft der Talaner gibt, und je weiter man fortschreitet, desto mehr erfährt man über die Kultur dieses Volkes. Schritt für Schritt lernt man sich in diese fremde Welt einfühlen.
Man unterhält sich in vielen Dialogen mit den verschiedenen Stammesführern, Heilern („Shamaz“) und Händler und mit jedem einfachen Bettler. Jeder hat wenigstens ein wenig zu erzählen. Nur die Soldaten sollte man meiden, da die Kriegerkaste etwas dagegen hat, dass der Ulukaï ihren gottgleichen Herrscher Faé Rhan aus dem Weg räumen will...
Im Verlauf der Handlung, die sehr wendungsreich und voller Überraschungen ist, lernt man eine Reihe von erinnerungswürdigen Charakteren kennen, die mit ihren eigenen Schrullen und Schwächen erstaunlich „menschlich“ und glaubwürdig rüberkommen. Bis sich am Ende das Spiel in einer wirklich erschütternden Offenbarung auflöst, hat man das Gefühl, einen durch und durch spannenden Film mitzuspielen, der einem jedoch genügend Freiheit lässt, diverse Nebengeschichten zu erleben.


Technik


Grafik

Outcast bestach bei seinem Erscheinen dadurch, dass es ein Exot war, der nicht auf den Polygon-Rausch der 3d-Beschleuniger setzte – die gute neue Voodoo 2 nutzte mir da nichts, Outcast setzte auf die altehrwürdige Voxel-Engine, die weiland Comanche so berühmt gemacht hat. Die Vorteile dieser Technik: Sie erlaubt sehr plastische, dreidimensional wirkende Landschaften.
Dass die Darstellung sehr pixelig daherkommt, trübt nicht den Gesamteindruck – im Gegenteil: Für mich persönlich ist diese grobkörnige Welt heute besser gealtert als die in der gleichen Zeit erschienenen glattgebügelten Direct3d-Welten. Damals war die extrem Prozessorhungrige Voxel-Engine von Outcast allerdings sehr anspruchsvoll für die unteren Pentium-Ränge.
Dafür wird bei der grafischen Umsetzung Abwechslung gross geschrieben. So findet sich von Winterlandschaften über Wüsten, uralte Waldgebiete und Sümpfe jede Klimazone vertreten und mit der gegebenen Technik jeweils beachtlich glaubhaft dargestellt.
Das Artdesign glänzt durch Eigenständigkeit – die Tiere der Spielwelt, die Charaktere und die Architektur gehört für mich zum Erinnerungswürdigsten und Originellsten überhaupt.

Sound

Soundtechnisch wurde bei Outcast ein Paradestück abgeliefert, das ich bis jetzt in keinem Spiel in solcher Güte gefunden habe. Die Sprachausgabe der deutschen Version ist nahezu perfekt besetzt – ich ziehe sie der englischen allein wegen der Stimme von Manfred Lehmann (Bruce Willis etc.) um Längen vor. Ganz besonders genial ist aber der orchestrale Soundtrack, der vom Moskauer Symphonie-Orchester extra für Outcast eingespielt wurde. Die Musik ist so gut, dass ich sie sogar gerne im CD-Player höre. Sie trägt gehörig zur Gesamtatmosphäre des Spiels bei. Die Umgebungsgeräusche der Umwelt sind ausserdem sehr gut gelungen.

Gameplay


In Third-Person-Perspektive bewegen wir uns in Outcast durch die fremdartige und faszinierende Welt Adelphas. Wir gehen zu Fuss oder, wenn wir es vermögen, reitend auf einem „Twôn-Ha“ genannten Reittier, das wie eine bizarre Vogel-Strauss-Verirrung aussieht. Die einzelnen grossen Regionen sind durch die Daokas, eine Art Weltportale, verbunden, durch die wir nur treten müssen, um andere Regionen zu erreichen. In den abwechslungsreichen Welten reden wir viel mit den Bewohnern, helfen ihnen bei ihren Sorgen, lösen diverse Subquests, die oft neben guter Belohnung und gutem Ruf auch köstlich amüsant sind.
In diesem Zug werden wir Dutzende von Namen hören, die aber das Spiel sich merkt und nach denen wir beliebige Talaner ansprechen können. Wenn sie die Person kennen, weisen sie uns den Weg zu ihr. Sehr oft müssen wir mehrere Talaner fragen, ehe wir die gesuchte Person finden. Das gibt dem Spiel einen dynamischen und glaubwürdigen Anstrich, der heutigen RPGs mit ihren von Symbolen übersäten Automaps oder – noch schlimmer – ihren Ausrufezeichen-Tragenden NPCs einfach fehlt.
Auf den Ruf sollten wir übrigens acht geben, denn wenn wir unseren Auftrag absolvieren wollen, sind wir auf die Gunst der „Shamaz“ angewiesen, der Heilerkaste, die zugleich spirituelle Oberhäupter der Talaner sind. Die erfahren nämlich jede Untat, die man sich über uns erzählt.
Um das Spiel zu gewinnen, muss Faé Rhan gestellt werden und dafür ist es nötig, alle Talaner zum Aufstand gegen ihren Tyrannen zu führen. Dies erreicht man durch einen guten Ruf (die Talaner müssen uns als ihren Messias akzeptieren) und vor allem durch das Lösen von Quests in den jeweiligen Regionen. Bis der Abspann über den Schirm flimmert, werden wir etliche Rätsel lösen, Kämpfe bestehen und Überraschungen erleben.
A propos Kämpfe: Auch wenn davon bislang noch keine Rede war, die kommen früh genug: Treffen wir auf die Krieger und wollen unseren Mann stehen, steht uns anfangs bloss eine mikrige Pistole zur Verfügung, die wir aber von talanischen Handwerksmeistern, den „Fühlern“, verbessern lassen können. Wir können später bei Händlern auch potentere Waffen und diverse Gegenstände kaufen, während das einfache Volk Adelphas alle diese Dinge als „Heilige Gegenstände“ ihres Messias verehrt und an manchen Stellen versteckt hält. Derart gerüstet werden die Kämpfe bald recht einfach, doch die Elitetruppen Faé Rhans können uns noch lange das Fürchten lehren.
Im Übrigen bietet Outcast auch die Möglichkeit an, viele Ziele durch Schleichen zu erreichen. Allerdings habe ich das, Asche auf mein Haupt, selten genutzt.

Atmosphäre


Das besondere Gefühl, das ich hatte, als ich das erste mal die Hauptstadt Adelphas, Okriana, betrat, kann ich als typisch für Outcast beschreiben. Selten hatte ich so den Eindruck, mich in einer fremden, gewaltigen Metropole zu befinden, die mit ihren hellen Farben perfekt das Empfinden einer orientalischen, aber eben doch ausseriridschen Welt lieferte. Während ich mich durch die verschiedenen „Boks“ (Viertel) bewege, dringen von allen Seiten Eindrücke an mich heran. Es ist ein einziges Gewimmel von Leuten, kistenschleppenden Arbeitern mit nackten Oberkörpern, in den Ecken und am Boden kauernder, abgemagerter Bettler, in den Hinterhöfen ihre Waren feilbietender Gemüsehändler, Tavernen, aus denen seltsamer Flötenklang drang. Dann wieder der Wasserhändler, der mit seinem Wagen durch die Stadt wackelt. Hier die Bauarbeiter, die den Brunnen reparieren wollen, dort ein in der Mittagshitze im Innern eines Hauses Schlafender. Und ehe man sich versieht, stolpert man in eine der vielen Patrouillen der Krieger. Und über dem orientalischen Leben der Stadt thront wie ein dunkles und majestätisches Verhängnis der gewaltige Palast des gottgleichen Herrschers, dessen Herrschaft Slade beenden soll. Zusammen mit dem genialen Soundtrack, der hier orientalische Klänge besitzt, ist die Begegnung mit dieser Stadt für mich eines der immersivsten Erlebnisse überhaupt. Hier werde ich direkt zu Cutter Slade und fiebere mit dem Schicksal ihrer Bewohner mit.

Fazit


Ich kann Outcast nun, nach meinem neuerlichen Durchspielen, noch immer wärmstens jedem Spieler ans Herz legen, der Wert auf eine grossartige Handlung hat, die originell und unkonventionell ist und durchaus auch einiges vom Spieler abverlangt. Man muss sich auf diese fremde Welt einlassen, doch wenn man es tut, wird sie sich einem Schritt für Schritt offenbaren. Die ganze Handlung entpuppt sich auf diese Art Stück für Stück und liefert dramaturgisch ein Meisterstück unerwarteter Twists.
Ansonsten bietet das Spiel eine ausgewogene Mischung aus Action, Erkundung, Konversation und Rätseln. In der Wahl der Nebenquests und dem Besuchen der Regionen ist man im Allgemeinen sehr frei.
Auch technisch scheint mir Outcast erstaunlich gut gealtert zu sein. Ich empfehle die GoG-Fassung des Spieles, die sich mittels eines Patches „germanisieren“ lässt. Ausserdem ist der Grafikpatch zu empfehlen, der einen jede gewünschte Auflösung wählen lässt (beide Patches von Zenger).


[Bild: 1617-outcast-windows-screenshot-face-to-...nemy-s.jpg]

[Bild: 10234-outcast-windows-screenshot-rural-shamazaar-s.jpg]

[Bild: 10233-outcast-windows-screenshot-the-six...l-land.jpg]

[Bild: 1621-outcast-windows-screenshot-s.jpg]

Bilder: Mobygames
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#2
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sehr informativ. Vielen Dank! Ich weiß nicht warum, aber ich habe seit jahren einen Bogen um das Spiel gemacht...
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#3
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Nemu schrieb:sehr informativ. Vielen Dank! Ich weiß nicht warum, aber ich habe seit jahren einen Bogen um das Spiel gemacht...

Na der Bogen lässt sich ja leicht korrigieren... Wink
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#4
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Ich habs auch schon 2 mal durch. Aber nach dem Spieletest hab ich direkt wieder Lust drauf bekommen. Vielen Dank Promi, super Arbeit. Mal schauen wie die Arbeiten an OpenOutcast, dem Remake, voran gehen. Hast du unter Win 7 gespielt?
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#5
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Dornfeld schrieb:Ich habs auch schon 2 mal durch. Aber nach dem Spieletest hab ich direkt wieder Lust drauf bekommen. Vielen Dank Promi, super Arbeit. Mal schauen wie die Arbeiten an OpenOutcast, dem Remake, voran gehen. Hast du unter Win 7 gespielt?

Danke für's Lob. Smile
Ich hab's unter Vista 64 gespielt (ich weiss, so ein Betriebssystem hat kein Mensch mit gesundem Selbstwert... Wink ).
OpenOutcast ist in der Demo wirklich absolut grandios, die Atmosphäre ist gut getroffen und mit der Crysis-Engine lässt sich wirklich ausser öden Shootern was Tolles erzeugen. Ich hoffe, dieses Projekt wird irgendwann fertig. Es würde gewiss für den herben Schlag des eingestellten Outcast 2 entschädigen.
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#6
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Schöner Bericht Fröhlich.
Wenn ich mich nicht sowieso schon längst in dieses Spiel verliebt hätte, wäre das spätestens jetzt der Fall WinkSmile.
[Bild: cgb-signaturwdjiq.png]
Du hast eine (nicht mehr ganz so) geheime Botschaft entdeckt:
"Besucht Heinrich's Spiele-Ausstellung!" ;-)


Big Grin Big Grin
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