Einige (kostenlose) Spielempfehlungen

[Prometheus]

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So, jetzt möchte ich einen Beitrag gerne meinem Lieblings-RPG-Maker-Entwickler realtroll widmen. Das gibt jetzt mal wieder mal eine meiner berüchtigten, abschreckenden Textwände, aber damit will ich die Güte dieser Spiele ausdrücken. Wer nicht lesen mag, betrachte die bunten Bildchen.

Des Fanboy-Verdikts uneingedenk: Realtrolls Spiele glänzen für mich in allen Disziplinen. Experimentierend-abwechslungsreicher Umgang mit den Möglichkeiten des Editors, was eine ganze Reihe lustiger, unkonventioneller Minispiele zeitigt. Herausragend gute Nutzung der RPG-Maker-Ressourcen, so dass sogar die Standard-Figürchen da hinpassen, wo sie sind, während die vielen eigens erstellten Dinge und Figuren sich widerstandslos einfügen. Tolle, abwechslungsreiche Musikuntermalung, die den Spielen sehr schön zusätzliche Atmosphäre geben. Und zuvorderst: Ausgezeichnetes, m.E. nicht in irgendeinem anderen RPG-Maker-Spiel und kaum in "echten" Produktionen erreichtes Wrting voller ironischem Witz, gut ausgearbeiteten Charakteren und spassigen, abwechslungsreichen Handlungsverläufen.

Die ersten Spiele kommen recht kurz daher, sind aber überaus witzig - Moloch City ist ein kleines Gangstergeschichtchen voller Blei und billigen Chandler-Sprüchen, das nervenaufreibende Shootouts bietet, El Dorado (1) ist ein Tüftelspiel, bei dem man in Gestalt eines trottligen Conquistadors nur eines will: Gold in rauen Mengen, und dabei in allerlei furchtbare Tode gerät. Piratenweihnacht schliesslich erzählt von einer Bande Piraten, die verwirrt sind, dass man heutzutage statt handlicher Golddublonen nurmehr diese seltsam-klobigen Hapag-Lloyd-Container auf Frachtschiffen findet.

Wirklich glänzend nehmen sich die grösseren Spiele aus: Die Reise ins All - das ich ohne Übertreibung als eines meiner liebsten Spiele bezeichnen will -, El Dorado 2 sowie die extrem umfangreiche Demo zu realtrolls aktuellem Epos Wolfenhain. Diese drei, jedes auf seine Weise unbedingt empfehlenswert, möchte ich im Folgenden kurz erläutern.


Die Reise ins All

Die irrwitzige Allreise des preussischen Kavallerieleutnants von Mackwitz, begleitet von der liberalen Journalistin Eleonore, dem trottlig-genialen Professor Heisen und einem vierten, nicht weniger illustren Reiseteilnehmer strotzt nur so vor Jules-Verneschem Sci-Fi, greift geistreich den politischen Widerstreit zwischen Nationalismus, Monarchismus und Marxismus auf, integriert nahezu alle relevanten literarischen und kulturellen Referenzpunkte der Epoche (Sherlock Holmes erscheint ebensosehr wie wir einen freiwillig spielbaren Exkurs zu Stevensons Schatzinsel haben!) und macht dank einer Unmenge an witziger Ideen auch im Gameplay zünftig Spass. Die Kämpfe erfordern erfreulich viel Überlegung nach Schere-Stein-Papier-Prinzip, die Fertigkeiten sind abwechslungsreich, manche Bossgegner überaus fordernd. Das das Spiel aber so ungemein motivierend ist, liegt an der extremen Detailverliebtheit, die beinahe aus jeder Pore dampft: Die abwechslungsreichen Locations - ägyptische Wüste, indischer Dschungel, Wilder Westen, deutsche Grossstadt, allerlei "extraterrestrische" Locations, Festungen, Raumschiffe, Eisenbahnen, bukolische Landstriche, etc. etc. - haben eigenen Charakter und sind nahezu perfekt gestaltet. Und dass ich sogar Bud Spencer antreffe, macht mir das Spiel noch viel sympathischer. Ein Meisterwerk in jeglicher Hinsicht, mein Nonplusultra aller RPG-Maker-Spiele bis heute. Übrigens mit unbedingtem Wiederspielwert: Etwa ein Drittel des Spiels findet an ganz anderen Orten statt, abhängig von einer Entscheidung des Spielers.





El Dorado 2

Wer El Dorado wegen Nervenzusammenbruchs nicht zuende spielen konnte, sei nicht verunsichert: Teil 2 schliesst lediglich aufgrund der gleichen Hauptfigur an den ersten Teil an. El Dorado 2 erzählt die Geschichte des erfolglosen Hidalgos Hernando, eines selbstsüchtigen, goldgierigen, verarmten Adligen im Spanien des 16. Jahrhunderts. Der beschliesst, von Gläubigern verfolgt, westwärts aufzubrechen, um in "Westindien" die Lösung seiner monetären Probleme zu suchen. Begleitet wird der unbeholfene Grossschwätzer Hernando vom klugen, witzreichen Knecht Pedro, der den ignoranten Adligen mehr als einmal aus der Patsche verhilft. Das wird etwa deutlich in den einzigartig angelegten Fechtkämpfen, die unser Hidalgo zu bestehen hat: Um einen Kampf zu gewinnen, können wir rundenweise fechten, oder aber den jungen Pedro steuern, der nach Schwachstellen des Feindes sucht, bzw. nach etwas in der Umgebung, womit wir Hernandos Fechtkünste entlasten können. Diese Kämpfe benötigen zwar eine Menge Trial&Error, sind aber klasse inszeniert.
Um in die Neue Welt zu gelangen, bedarf es freilich eines Schiffes, aber um eines solchen habhaft zu werden, müssen wir erst nach Sevilla gelangen. Dass schon auf dem Weg dahin ordentlich viel dazwischenkommt, ist klar. So entspinnt sich eine irrwitzige Reise bis in die dampfenden Dschungel der neuen Welt. El Dorado ist allgemein stringenter in der Ausführung als die Allreise, bietet eine homogenere Handlungswelt. Mir persönlich gefällt die Irrfahrt der Allreise ein wenig besser, aber El Dorado 2 ist ganz klar auch ein famoses Werk.





Wolfenhain

Wolfenhain besitzt zwar erst eine "Demo" - aber die ist so umfangreich und voller Features, dass sie locker als Spiel durchgeht. Nach dem 19. Jhdt-Szenario der Allreise, dem 16. Jhdt-Szenario des Hidalgo Hernando befinden wir uns hier in einem imaginierten Mittelalter wieder. Hier herrscht noch der Kampf zwischen den monotheistischen "Orden des Güldenen" und den Hexen der alten Zeit, während der trottlige, dickbauchige Dieb Gisulf zwischen die Fronten beider Parteiungen gerät. Auch hier nimmt sich nichts ernst - jeder Anhauch von Pathos wird gleich mit deftigem Witz oder feinsinniger Ironie zunichte gemacht. Die sonderbare Gruppe, die sich hier zusammenfindet, besteht denn auch aus spinnefeinden Charakteren: Brun, Paraderitter des Ordens des Güldenen, Hexenanwärterin Waldrada sowie der alte Dieb Gisulf, zunächst als Gefangener des Ordens, müssen gegen eine gewaltige und bedrohliche Macht zufelde ziehen - dank einer Prophezeiung natürlich zusammen. Dass da laufend Streitereien ausbrechen, ist schon im Vorfeld klar. Auch Wolfenhain glänzt nur so von klasse Dialogen, sehr guten Charaterisierungen und herrlichen Witzen. Dazu kommen wieder neue, kreative Minispiele (Richtig genial gefallen mir Gisulfs Diebesfähigkeiten wie Schlösseknacken und Fallen entschärfen), deftige Kämpfe, die ordentlich Taktik abverlangen, und eine erstaunlich grosse Welt zum Erkunden und Entdecken. Auch technisch holt das Spiel alles aus dem RPG-Maker heraus: Es ist eine wahre Augenweide, wie hier Schauplätze mit Leben gefüllt werden und man sich buchstäblich mittendrin fühlt.